Das Märchen von der Grundsteuer und ihrer Verwendung für die Finanzierung von Straßenausbaumaßnahmen
Die immer wieder erhobene Forderung seitens zahlreicher Bürgerinitiativen, die Straßensanierungen über eine adäquate Erhöhung der Grundsteuer zu finanzieren, wird von vielen Kommunalverwaltungen, aber auch von Parteien – hier vor allem von der SPD und den Grünen – immer wieder durch folgende „Argumente“ abgeschmettert:
- eine Grundsteuererhöhung bleibe gar nicht bei den Kommunen, sondern fließe komplett ab an die Landkreise
- es sei nicht möglich, Grundsteuern rechtssicher zweckgebunden einzusetzen
- bereits von Beitragszahlungen betroffene Bürger könnten von einer Erhöhung der Grundsteuer für einen noch zu bestimmenden Zeitraum nicht befreit werden, um nicht zweimal zur Kasse gebeten zu werden.
Diese Argumente sind schlicht falsch, rechtlich z.T. nicht abgesichert und darüber hinaus reine Ablenkungsmanöver!
Hier die Gegenargumente:
Zu (1): Kappungsgrenze
Diese bezieht sich auf einen landesweiten Durchschnittswert für eine Abgabenart, z.B. die Grundsteuer. Aktuell liegt dieser Wert in Niedersachsen bei der Abgabe Grundsteuer B bei einem Hebesatz von 360 Punkten (bei Gemeinden mit weniger als 100.000 Einwohner/-innen, Stand 30.08.2018, Quelle: Landesamt für Statistik Niedersachsen). Bis zu diesem Wert (360 Punkte) muss eine Gemeinde tatsächlich hohe Anteile der jeweiligen Erträge aus dieser Abgabe an den Landkreis oder die Samt- bzw. Einheitsgemeinde abführen. Nur zur Information: 2017 betrug der durchschnittliche Grundsteuerhebesatz B im Landkreis Lüneburg 375,3 %.
Aber: Alle Anteile oberhalb dieser Kappungsgrenze verbleiben vollständig bei der Kommune!
Beispiel: Aktueller Grundsteuerhebesatz B (Adendorf) 400 Punkte (2017): der Gegenwert von 40 Punkten verbleibt also komplett bei der Gemeinde.
.Der nicht zu unterschlagende Haken an dieser Berechnungsmethode:
Natürlich erhöht sich bei Erhöhungen in vielen Kommunen mit der Zeit auch der landesweite Durchschnittswert, also die Kappungsgrenze. Aber: Das dauert und erfolgt auch nicht in sprunghafter Dimension, ganz abgesehen davon, dass einige Kommunen von Zeit zu Zeit sogar ihren Hebesatz senken.
Zu (2): Haushaltsrechtliche Verpflichtungsermächtigung
Damit kann der Rat einer Kommune sehr wohl förmlich und rechtssicher beschließen, dass bestimmte Anteile des allgemeinen Haushalts, in dem u.a. auch die Grundsteuer landet, für Ausgaben aus bestimmten haushaltsrechtlichen Verpflichtungen reserviert werden. Dies ist ausdrücklich bei allen kommunalen Pflichtaufgaben möglich, zu denen gerade auch die Instandhaltungsaufwendungen für die Gemeindestraßen zählen, die ebenfalls aus dem allgemeinen Haushalt zu bestreiten sind. Dieses Verfahren wird landauf, landab auch angewendet, gerade auch bei der Aufhebung der Straßenausbaubeitragssatzung (STRABS),
(siehe dazu z.B. den Beschluss in der Gemeinde Seevetal, bei dem exakt so verfahren wurde).
Beispiel: Die Gemeinde beschließt im Haushaltsjahr 2019 aus dem erhöhten Anteil aus Einnahmen aus Grundsteuer B die Summe von 200.000 € für die Instandsetzung von Gemeindestraßen in ihre Baulast einzusetzen. Als Anlage wird der Bedarf konkret gerechnet. Das Problem hierbei: Ein solcher Beschluss muss jährlich erneuert und ggf. konkret bedarfsbezogen angepasst werden. Das macht Arbeit und schafft Transparenz und die will keiner!
Der Widerstand kommt von Kommunen und Landkreisen, die beide nicht wollen, dass „ihr“ allgemeiner Haushalt transparent und auch noch mit lästigen Pflichtaufgaben belastet wird. Stattdessen fordern die Landkreise lieber die Kommunen auf, gefälligst Zusatzabgaben zu erheben. Daher verschicken Kommunen auch lieber weiter „STRABS-Gebührenbescheide“ an Grundstückseigentümer. Bei dieser Vorgehensweise weiß man, was man hat und kann nach Belieben Bauprogramme für Straßen definieren und umsetzen.
Das entspricht auch den Interessen der Landkreise: Je leistungsfähiger die kommunalen Haushalte, desto höher können sie die Kreisumlage schrauben, aus der sie sich finanzieren.
Aus Eigeninteresse machen also Landkreise Druck auf die Gemeinden, wo immer sie können.
Genau in dieses Horn stößt auch die Position des Städtetags:
Auf keinen Fall eine Änderung zu Lasten der Kommunen und Landkreise und deren gut geölter Maschine und des dazu notwendigen Apparats.
Ein tolles „perpetuum mobile“ auf Kosten des Steuerzahlers!
Zu (3) Befreiung von der Grundsteuererhöhung
Diese Aussage ist z.Z. noch juristisch umstritten und rechtlich noch nicht vollständig abgesichert. Die Möglichkeit, bereits gezahlte Beiträge mit einer Aussetzung von Grundsteuererhöhungen zu verrechnen, wird jedoch von vielen Entscheidungsträgern angedacht. (Anwendung einer Verschonungsregelung)
Unser Resümee: Das hier angesprochene Problem ist nur politisch über eine Änderung der Gesetzeslage zu lösen, damit dieser – rechtlich komplett abgesicherten – Praxis der Boden entzogen wird. Dass diese Forderung auf Widerstand stoßen wird ist voraussehbar.
Joachim Dreilich
Sprecher der BI „Wir für Adendorfs Straßen“
Zur Berechnung der Grundsteuer
Viele von uns sind sich nicht genau im Klaren darüber, wie der von uns Grundstückseigentümern zu zahlende Grundsteuerbetrag zustande kommt.
Hier eine kleine Hilfestellung:
Die Formel lautet: Grundsteuer = Einheitswert X Grundsteuermessbetrag X Hebesatz der Gemeinde
Wichtig ist zunächst, die Höhe des Einheitswertes zu ermitteln Er ist jedem Eigentümer vom Finanzamt bekannt gemacht worden. Solltet Ihr diese Unterlagen nicht wiederfinden, so reicht ein Anruf beim Finanzamt, um ihn zu erfahren.
Dieser Einheitswert bezieht sich auf den Bodenwert des Jahres 1963 mit Änderung von 1964 (in Ostdeutschland 1935).
Beim Einheitswert gibt es eine Grenze. Sie liegt bei 38.347 €. Alles bis zu dieser Grenze wird beim Grundsteuermessbetragmit 2,6 o/oo berechnet, was darüber liegt mit 3,5 o/oo.
Oft wird der Einheitswert noch in DM angegeben. Eine Umrechnung in € ist dann erforderlich (1€=1,95583 DM).
Zur Verdeutlichung ein Beispiel:
Einheitswert 86.300 DM = 44.124,49 €
38.347 € zu 2,6 o/oo = 99,70 €
5.777 € zu 3,5 o/oo = 20,22 € = 119,92 Grundsteuermessbetrag
Hebesatz der Gemeinde 400%, d.h. 119,92 X 400 % = 479,68 € Grundsteuer im Jahr, bei 1/4 – jährlicher Abbuchung = 39,97 €. Würde der Hebesatz um 100 Prozentpunkte erhöht werden, um z.B. des Straßenausbau zu finanzieren, so würde sich der Jahressteuerbetrag um 119,92 € erhöhen, d.h. um ca. 10 € monatlich!! Zu achten ist dabei die an einem anderen Ort (s.o.) in dieser Homepage vorgestellte Kappungsgrenze!!!
Zur Grundsteuer siehe auch Art. 28, Abs. 2, Satz 3 GG
Sollten sich die Länder nicht auf eine vom Verfassungsgericht verfügte Neubewertung der Grundstücke bis zum 31.12.2019 einigen, so entfällt die Erhebung der Steuer ab 2020.
Zwei Vorschläge zur Neubewertung einer Immobilie liegen auf dem Tisch:
1. Vorschlag von BFM Olaf Scholz: Hierbei sollen Bodenwert, Nettokaltmiete (pauschaler Wert, vergleichbare Immobilien in dieser Lage) sowie das Alter des Gebäudes berücksichtigt werden.
2. Vorschlag Bayern: Hier sollen lediglich die Grundstücksfläche sowie die Gebäudefläche Berücksichtigung finden.
Joachim Dreilich
Vielen Dank, toller Beitrag
Super infos, danke!
Leider fehlt hier der Teil der Erhöhung, der an Umlagen weiter gegeben werden muss. Das sind in der Regel ca. 50 % an Kreisumlage zzgl. ggf. Samtgemeindeumlage. Das wiederum bedeutet, dass eine Erhöhung doppelt so hoch ausfallen müsste, um die gewünschte Wirkung zu erzielen.
Dann kommen die Forderungen der Bürgerinnen und Bürger: “Ich zahle Steuer, dann macht mir die Straße vor der Haustür gefälligst neu.” Die Diskussionen führen dann nicht diejenigen, die hier sinnfrei protestieren, sondern die lokalen Kommunalpolitiker, die sich für ihren Ort ehrenamtlich engagieren.
Der Kommentar von dem Mitglied des Gemeinderates Rodewald (SPD) erweckt den Eindruck, er habe den Artikel gar nicht gelesen oder der Sachverhalt wurde nicht erfasst.
Rund 50 % einer Erhöhung gehen in die Kreisumlage, aber nur, wenn der Hebesatz unterhalb der Kappungsgrenze liegt.
Liegt der Hebesatz über dieser, inzwischen bei 367 liegenden Kappungsgrenze verbleiben die zusätzlich generierten „Einnahmen“ zu 100 % bei der Gemeinde.
Die Unterstellung des Anspruchdenkens bei Einwohnern „ihrer“ eigenen Gemeinde wird zwar immer wieder von der SPD ins Feld geführt, ist aber nicht belegt.
Es gibt Bürgermeister, die das verneinen, obwohl die Strabs vor etwa 10 Jahren abgeschafft wurde.
Solche Kommentare, wie der vorliegende, versuchen lediglich die ehrenamtlichen Streiter für mehr Gerechtigkeit zu diffamieren.
Darauf fallen die Einwohner inzwischen aber nicht mehr rein.
Die jeweils aktuelle Kappungsgrenze ist zu finden unter:
https://www.statistik.niedersachsen.de/themenbereiche/finanzen/themenbereich-finanzen-steuern-personal—service-164777.html
und dann
Kommunaler Finanzausgleich
1. Grundlagen Steuerkraftberechnung 2021 vorläufig EW 30.06.2019 (PDF)